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Martin Braunwieser (Salzburg 1901 - São Paulo 1991)
A.A.Bispo
Martin Braunwieser, Salzburg 1989. Foto A.A.Bispo Martin Braunwieser wurde 1901 in Salzburg geboren. Einer Musikerfamilie entstammend - sein Vater war ein gefeierter Dirigent - wuchs er in Kreisen auf, die sich der großen klassischen Musiktradition dieser österreichischen Stadt bewußt waren. Als Sängerknabe und begabter Instrumentalist wurde er früh von der Praxis instrumentalbegleiteter Salzburger Kirchenmusik geprägt. Zugleich erlebte er dabei das Ringen um eine vergeistigende Erneuerung der Kirchenmusik, das unter der Wirkung des Erzbischofs J. Kardinal Katschthaler (1832-1914) in Salzburg besonders intensiv war. Hier erlebte er das wachsende Interesse für die Musik früherer Zeiten und die Wiederentdeckung von Werken vergessener Meister. In den kritischen Jahren während und nach dem Ersten Weltkrieg bot sich die Besinnung auf eine ältere Schicht europäischer Musik als Möglichkeit geistig-künstlerischer Erneuerung an.
Seine musikalische Formung erfolgte jedoch vor allem im Mozarteum. Das 1914 eröffnete Mozart-Haus verstand sich nicht lediglich als Ort für Konzertbetrieb oder zur Vermittlung handwerklicher Fertigkeiten in der Musik, sondern als "Tempel mozartischen Geistes". Die Mozart-Feste sollten Ausdruck jener Kräfte sein, die das Erbe Mozarts und den Geist eines aufgeklärten Humanismus vertraten. Der Ausbau des Mozarteums zu einer umfassenden Ausbildungsstätte erfolgte unter Bernhard Paumgartner (1887-1971), dem Lehrer, Förderer und Freund von Martin Braunwieser.
Die Nachkriegsjahre brachten eine außerordentlich rege Phase in der Geschichte des Mozarteums. M. Braunwieser gehörte zu den herausragenden Schülern der Institution und wirkte in zahlreichen Konzerten als Bratschist und Flötist mit. Zu seinen Studienkollegen zählte u.a. Erich Schenk (1902-1974), der später eine wichtige Rolle in der Musikwissenschaft Österreichs spielen sollte.
In seinen Studienjahren widmete er sich auch entschieden der zeitgenössischen Musik und trug in Salzburg Werke in Erstaufführung vor, u.a. eine prämierte Komposition von E. Kornauth (1891-1959). Bedeutende Persönlichkeit für die Hinführung seiner Generation an die Fragen der zeitgenössischen Musik war Felix Petyrek (1892-1951). Die Suche nach einer Klangmystik bzw. der Wahrnehmung einer Musikdimension jenseits des Klanglichen prägte die Reflexionen und die philosophischen Studien sowie die ersten Kompositionen Braunwiesers. Es ging in der Tradition Franz Schrekers (1878-1934) um die Hinwendung zum "Fernen Klang" in metaphorischem und geradezu "interkulturellem" Sinne. So vertonte M. Braunwieser 1921 Texte des altpersischen Gelehrten und Dichters Omar-i-Chajjam (1048-1131).
Entscheidend für das Leben und Wirken von M. Braunwieser war seine spätere Ehefrau Tatiana Kipman. Aus einer sozial hochstehenden russischen Familie deutscher Herkunft stammend hatte sie das Schicksal zahlreicher anderer Emigranten ereilt, das sie nach 1917 über die Krim nach Konstantinopel und später nach Mitteleuropa führte. Ihr Vater hatte als vielseitig interessierter Gelehrter im Rahmen der russischen Politik in Grenzgebieten des Ostens Kontakt zur Kultur des Orients gesucht und bereits um 1892 in Jalta einen Zirkel zur geisteswissenschaftlichen Erneuerung Europas durch die Annäherung an das östliche Denken gebildet. In Istambul und in Mitteleuropa suchte T. Kipmann als begabte Pianistin Mentoren, Komponisten und Intellektuelle auf, die sich für philosophische und weltanschauliche Fragen interessierten, u.a. Gabriele DAnnunzio (1863-1938) bei Aufenthalten in Abbazia/Opatjia. Von theosophischen Tendenzen ihrer russischen Familie geprägt kam sie durch Felix Petyrek mit der sich entwickelnden Anthroposophie Rudolf Steiners in Berührung.
M. Braunwieser lernte T. Kipman zur Zeit der Aufführung (1919) des "Salzburger Großen Welttheaters" von H. von Hofmannsthal (1874-1929) und des ersten Salzburger Festspieles (1920) mit "Jedermann: Das Spiel vom Sterben des Reichen Mannes" kennen. Einerseits von den Ideen Paumgartners und anderer Lehrer und Freunde über die Tradition des Akademie-Gedankens in Philosophie und in der Geschichte des Humanismus und der Klassik geprägt, andererseits von der durch T. Kipman verfolgten Idee des Wiederauflebens der geisteswissenschaftlichen Orient-Zirkel Ukraniens und Russlands in Mitteleuropa beeinflußt, gründete er 1922 mit Felix Petyrek, anderen Lehrern und Kollegen eine Akademie Orient/Ozident. Bei Studiensitzungen und Vorträgen setzten sich ihre Mitglieder mit Fragen der Erneuerung von Kunst und Kultur und zugleich mit Gedanken der Klassik sowie mit geistigen und künstlerischen Beziehungen zwischen Osten und Westen auseinander und suchten auf dieser Grundlage einen reflektierten Umgang beim praktischem Musizieren und beim Komponieren.
Das Interesse - und bald die Begeisterung - für Brasilien entstand durch die Rezeption von Werken und Anschauungen junger französischer Komponisten, von Erik Satie und anderen Komponisten der sog. "Groupe des Six" um Jean Cocteau. (1889-1963).Vor allem der Einfluß von Darius Milhaud war hier maßgebend, der sich als Sekretär von P. Claudel (1868-1965)1916-18 im diplomatischen Dienst in Rio de Janeiro aufhielt. Die "Saudades do Brasil" von Milhaud wurden zu einem symbolhaften Werk, das T. Kipman und M. Braunwieser seit den 20er Jahren immer wieder in ihren Konzerten in verschiedenen Städten Europas und später in Brasilien aufführten.
Zu den wichtigsten Stationen des Wirkens der Akademie in den zwanziger Jahren zählten Split, wo Braunwieser ein von v. Hofmannsthal inspiriertes, großangelegtes Orchesterwerk "Das Welttheater" 1923 komponierte, und vor allem Athen. 1925 wurden M. Braunwieser und andere seiner Mitstreiter zum Professor am Odeon berufen. Er nahm an der Seite von Felix Petyrek für drei Jahre an der Erneuerungsbewegung der Musikausbildung Griechenlands teil. In mehreren Konzerten wurden Werke W. A. Mozarts, J. S.Bachs und zeitgenössischer Komponisten aufgeführt. Der Höhepunkt der Aktivitäten war die "Rückkehr des klassischen Erbes" nach Olympia mit der Aufführung des Requiems von Mozart im Jahr 1927.
Zu einer Zeit, als die Türkei eine Europäisierung erfuhr, war eine Sorge der Akademie-Mitglieder, die orientalischen Musiktraditionen könnten verloren gehen. M. Braunwieser, der die Arbeiten von Egon Wellesz (1885-1974) studiert hatte, welcher die Meinung vertrat, daß im Orient frühere Schichten der Musikentwicklung des Abendlandes lebendig geblieben seien, bemühte sich, sich der fremden bzw. fremd gewordenen Klangwelt durch eine Erschließung geistiger Grundlagen der Kultur zu nähern. Wie in Salzburg versuchte er auch in Griechenland, orientalisches Melodieempfinden mit den zeitgenössichen Tendenzen Europas zu verbinden. Als Flötist näherte er sich der im ganzen Vorderen Orient verbreiteten Nay-Musik, in deren msytischen Gehalt er einzudringen versuchte, was zu einer Vergeistigung seines pädagogischen Wirkens als Professor führte. Sein 1930 unter Leitung von B. Paumgartner in Salzburg zur Aufführung gelangtes Werk "Aus dem Orient" wies ihn als einen Komponisten aus, der sich für die Verbindung des Orients und des Okzidents in der zeitgenössischen Musik einsetzte.
1928 erfolgte die lange ersehnte Umsiedlung nach Brasilien. Auch hier sollten die "Saudades do Brasil" gleich bei der erster Vorstellung von T. Kipman und M. Braunwieser symbolhaft vorgetragen werden. Als Ort für deren künstlerisch-ideelle und ethische Wirkung wurde die Bragantina-Region um die Stadt Bragança Paulista im Hinterland São Paulos gewählt. In dieser fern von den großen Zentren, "unverbrauchten" Region beabsichtigten sie, die Akademie als Zentrum für Reflexionen im Dienst der Kulturerneuerung zu gründen. Die Gründung erfolgte in Bragança Paulista am 22. September 1928. Beim Festkonzert wurden Werke von Mozart, Beethoven, Chopin und - wie immer - Darius Milhauds "Saudades do Brasil" aufgeführt. Ihre pädagogische Bemühung galt der Vorbereitung des Hörers für die Aufnahme von Werken der Klassik und der zeitgenössischen Musik. Die Aufwertung der Musik Brasiliens basierte auf einer von ihnen angenommenen "seelischen Verwandtschaft" zwischen russischer und brasilianischer Psyche.
In der Hauptstadt São Paulo fanden sie in deutschsprachigen Kreisen eher Möglichkeiten zum künstlerisch-ideelen Wirken. Kammermusik wurde vor allem in Familien und Vereinen mitteleuropäischer Einwanderer wie dem Österreichischen Verein Donau gepflegt. Ziel war es auch hier, zur Erneuerung des Repertoires unter Wahrung höher Maßstäbe beizutragen. Im vorwiegend von italienischen Musikern geprägten Musikleben São Paulos wurde die Kammermusik vom "Quarteto Brasil" und vom "Quarteto Paulista" des Konservatoriums gepflegt. Durch T. und M. Braunwieser setzte man sich fortan mit zeitgenössischen Werken tschechischer und ungarischer Komponisten auseinander. Probleme klassischer Formen wurden in bezug auf Fragen der Zeit und des Raumes, des Historischen und des Systematischen diskutiert. 1931 veranstalteten sie das erste Konzert mit "Alter Musik" Brasiliens. Im Verein "Donau" oder bei Abenden der Gesellschaft "Germania" wurden Werke u.a. von I. Strawinsky (1882-1971) und P. Hindemith (1895-1965) erstmals aufgeführt. Mit seiner Fantasia für Streichquartett (1931) schrieb Martin Braunwieser die erste bisher bekannte, in Brasilien entstandene Komposition, die eine Auseinandersetzung mit der Zwölftontechnik belegt. Die ideellen Bestrebungen der Akademie, zur Verständigung zwischen Ost und West beizutragen, kamen weiterhin in seinen Kompositionen zum Ausdruck. So komponierte er 8 Stücke für Kinder nach türkischen Weisen, die bei einem Konzert zeitgenössischer Musik der Germania-Gesellschaft São Paulos am 18. November 1931 neben Werken von D. Milhaud, P. Hindemitth und K. Szymanowski aufgeführt wurden.
In den zwanziger und dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts gehörte der Schubert-Chor zu den bedeutendsten Institutionen seiner Art São Paulos. Unter der Leitung von M. Braunwieser sollte dieser Chor sich zugleich der Erneuerung des Repertoires in enger Zusammenarbeit mit brasilianischen Musikern widmen. Markstein in der Geschichte einer reflektierten Musikpflege auf der Grundlage der Erforschung der Musikgeschichte Brasiliens war ein 1930 zur Jahrhundertfeier von Pe. José Maurício Nunes Garcia (1767-1830) veranstaltetes Konzert. Der Schubert-Chor führte erstmals ein Werk aus der Kolonialzeit São Paulos auf, nämlich vom ersten Kapellmeister des Domes, André da Siulva Gomes (1752-1844). Auf den Schubert-Chor stützte sich auch Heitor Villa-Lobos (1887-1959) bei seinen Aufführungen in São Paulo.
Der einflußreichste Musikdenker der Zeit, Mário de Andrade (1893-1945), war den Auffassungen von M. Braunwieser sehr zugeneigt und wurde zu seinem engen Freund. Bei aller Bestrebung um Förderung einer kulturell geeigneten Musik unterschied sich M. Braunwieser durch seine humanistische Gesinnung von den Vertretern nationalistischer Ästhetik. Seine Absicht war primär die Vereinigung der verschiedenen Volksgruppen der kosmopolitischen Stadt durch eine "Kommunion in der Kunst". Als Leiter des Männergesangvereins "Frohsinn" konnte er die Mitwirkung brasilianischer Kräfte sichern und mit diesem Chor an dem allgemeinen Musikleben teilnehmen. Die Öffnung des Chores zum brasilianischen Musikrepertoire war mit der Bewältigung der Probleme der Aussprache des Portugiesischen verbunden. Geeignete Chorwerke mußten gesucht oder geschaffen werken. Als Zeichen des weiterhin lebendigen Akademie-Gedankens gründete er einen eigenen Kammerchor, der seinen Namen trug und das erste Konzert mit Vokalwerken von ausschließlich brasilianischen Komponisten veranstaltete. Unmittelbar in Zusammenhang mit diesem Konzert entstanden zwei bedeutende Werke mit brasilianischem Charakter, die Bearbeitung der aus Forschungen von Mário de Andrade gewonnenen Volkslieder von Arthur Pereira (1894-1946) und eine M. Braunwieser gewidmete Chorkomposition von M. Camargo Guarnieri.
Die Bestrebung, durch die Musik zur Annäherung der verschiedenen Gesellschaftsgruppen beizutragen, mußte auch die Kirchenmusik betreffen. M. Brauanwieser versuchte mittels der Musik zur interkonfessionellen Verständigung beizutragen.Ihm ging es vorwiegend darum, Beziehungen zwischen dem katholischen und dem evangelischen Kirchenliedrepertoire auf der Grundlage der historischen Forschung aufzuzeigen.
Die Auffassungen und Absichten von M. Braunwieser stimmten nur z.T. mit denen des Musiknationalismus eines H. Villa-Lobos überein. Trotz aller Ähnlichkeit wurden die tiefgreifenden Unterschiede bei einem großangelegten Konzert Villa-Lobos in São Paulo 1931 deutlich. Der hier zum Ausdruck gebrachte Kult der Autorität eines Musikführers mittels Massenaufführung entsprach einer Auffassung vom Sinn der Musikpraxis, die M. Braunwieser fremd war. Obwohl er sich stets für die Pflege und Vermittlung des klassischen Kulturerbes, der Alten Musik und des zeitgenössischen Schaffens Europas einsetzte, war für ihn der Nationalismus auf deutscher oder brasilianischer Seite mit der Universalität seiner Anschauungen nicht zu vereinbaren. Als Signal gegen den wachsenden Nationalismus wollter er 1933 die Aufführung von Haydns "Die Schöpfung" verstehen. Sein Einsatz für die Werke der Klassik sollte - wie er in einem Vortrag gegenüber den Mitglieder seiner Akademie klarstellte - zum Ausdruck bringen, "daß zu jener Zeit die Kunst einen übernatürlichen Charakter jenseits jeden Nationalismus hatte. Die Musik konnte gewisse nationale Motive beinhalten, dies war jedoch niemals die Hauptsache. Das Wichtigste eines Werkes war der Gehalt. Die künstlerischen Qualitäten eines Werkes wurden nicht von einem nationalen Blickpunkt aus beurteilt. Diese Umstände haben die Kunst zu einer ungeahnten reichen Entwicklung geführt."
Im Jahre 1935 begann eine für die Arbeit M. Braunwiesers wichtige Phase durch die Ernennung von Mário de Andrade zum Leiter des Kultursekretariats von São Paulo. Er gründete u.a. einen Coral Popular, dessen Dirigent M. Braunwieser wurde. Die sozial eingestellte Arbeit des Chores entsprach in dessen Kulturanschauung weniger dem Musiknationalismus als den von Francisco Curt Lange formulierten Idealen eines musikalischen Interamerikanismus. Wichtiges Ereignis war zu dieser Zeit der I. Kongress der gesungenen Volkssprache, der 1937 in São Paulo stattfand. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde zum ersten Mal eine Tagung für Musikforschung abgehalten und die sozio-musikalische Arbeit der Kinderparks von São Paulo der Öffentlichkeit vorgestellt. Diese den Kindern minderbemittelter Bevölkerungsschichten gewidmeten Einrichtungen waren wegweisend in ihrer Art in Lateinamerika. Die hier angewandte Anschauung einer nicht-autoritären, die schöpferischen Anlagen der Kinder fördernden Erziehung entsprach weitgehend den Auffassungen Braunwiesers.
M. Braunwieser nahm als erster offiziell für Musiktranskriptionen beauftragter Fachmann an der 1938 von der Kulturabteilung der Stadt São Paulo organisierten Forschungsreise in den Nordosten und Norden Brasiliens teil. Von dieser Reise brachte er zahlreiche Materialien mit, die die Grundlage für jahrzehntelange Analysen und Publikationen bilden sollten.
Die vierziger Jahre standen im Licht der durch die Initiativen von H. Villa-Lobos im nationalistisch-patriotischen Sinne arbeitenden orpheonischen Bewegung. Unter den politischen Bedingungen der Kriegszeit sowohl innerhalb der deutschsprachigen Kolonien mit der Gleichschaltung der Chöre als auch im brasilianischen Musikleben konnten die nicht-nationalistisch und nicht-autoritär orientierten Ideale der Akademie nicht durchgesetzt und auch nicht offen vertreten werden. M. Braunwieser zog sich weitgehend in die Privatsphäre zurück und widmete sich der Musikpädagogik. Er konnte mehrere Generationen von Musiklehrern und Lehrern an allgemeinbildenden Schulen ausbilden. Darüberhinaus blieb er der Mentor der von ihm 1935 gegründeten Bach-Gesellschaft São Paulos, die das Ziel verfolgte, den klassischen Idealen und der künstlerisch und geistig wertvollen Musik aller Epochen zu dienen. Die Auffassungen, welche die Arbeit dieser Gesellschaft bestimmten, waren vor allem die Ansichten Albert Schweitzers (1875-1965). Die Musik sollten in den Dienst einer Ethik des Lebens gestellt werden.
Die Absicht, die Akademie-Idee neu zu beleben und sie auch wieder in Europa zu verwirklichen, wurde jedoch nicht aufgegeben. Zur Anknüpfung von Kontakten in mehreren Ländern dienten auch Europa-Reisen von M. Braunwieser. Als 1974 A. A. Bispo als sein langjähriger Schüler nach Deutschland kam, erhielt er den Auftrag, die Beziehungen zu seinen noch lebenden Mitstreitern vor allem in Salzburg zu beleben und ein Netzwerk zu bilden, das grundsätzlich interdisziplinär sein sollte. Bei der ersten internationalen Tagung für Musikforschung in Brasilien 1981 wurde dieses Anliegen von M. Braunwieser bekräftigt und bei den Sitzungen zur Gründung der Brasilianischen Gesellschaft für Musikwissenschaft von Luis Heitor Correa de Azevedo als Mitglied des Internationalen Musikrates/UNESCO unterstützt. Im gleichen Jahr wurde gemäß dieses Votums ein international ausgerichtetes Forum in der Stadt Leichlingen gegründet. Dieses Forum war von Anfang an kulturwissenschaftlich und interkulturell orientiert. Die erste Publikation, die im Rahmen der Feier des 80. Geburtstages von Braunwieser erschien, wurde dementsprechend mit einem Grundsatzbeitrag zum Kultur-Begriff eröffnet und enthielt Beiträge zur interkulturellen Musikforschung.
Nach mehreren Jahren von Vorbereitungen bei Sitzungen in Ländern Europas und in Brasilien wurde im "Europäischen Jahr der Musik" 1985 das "Institut für Studien der Musikkultur des portugiesischen Sprachraumes e.V." amtlich eingetragen. Dieses Institut, das nicht nur als Forschungsinstitut der Wissenschaft dienen, sondern satzungsgemäß auch zur Bildung im weiten Sinn beitragen soll, wurde zum juristischen Träger der Akademie. 1987 wurde dieser wichtige Schritt zur Realisierung des Ideals von M. Braunwieser der neuen Belebung der Akademie im internationalen Rahmen beim I° Brasilianischen Kongress für Musikwissenschaft und dem Regionaltreffen für Lateinamerika und der Karibik des Projekts "Musik im Leben des Menschen" des Internationalen Musikrates/UNESCO den Fachkreisen in Brasilien erläutert. 1988 wurde bei einer Feier im Rittersaal von Schloß Burg unter dem Vorsitz S.E. des Botschafters O. Lorenzo Fernandez der Stand und die Ziele der Arbeiten Vertretern von akademischern Institutionen und Vereinen für die internationale Zusammenarbeit Deutschlands bekannt gemacht. Im Jahr 1989 wurde ein internationales Symposium zu Kulturfragen in Bonn und Köln unter der Schirmherrschaft der Brasilianischen Botschaft durchgeführt, bei dem Fachsitzungen mit Vertretern verschiedener Disziplinen und Universitätsprofessoren in Anwesenheit von Martin Braunwieser stattfanden. Aus diesen Debatten wurde ersichtlich, daß eine Aktualisierung der Konzepte notwendig erschien. Anstatt der früheren geisteswissenschaftlichen Ausrichtung sollten die Bestrebungen nun ausdrücklich der Kulturwissenschaft gelten, die allerdings in engem Zusammenhang mit wissenschaftssoziologischen Studien betrieben werden sollte. Im Anschluß an diese Tagung wurde eine letzte Reise M. Braunwiesers nach Salzburg unternommen, wo er an Ort und Stelle Einzelheiten zur Geschichte seines Lebens weitervermitteln konnte. 1991 übergab er A.A.Bispo die historischen Dokumente zu den Tätigkeiten vieler Jahrzehnte, die einen wichtigen Teil des Archivs der Akademie bilden. Auf Grund dieser Quellen konnte eine Monographie verfaßt werden, die Martin Braunwieser zu seinem 90. Geburtstag kurz vor seinem Tod überreicht werden konnte. 1992 wurden im Rahmen des 2. Brasilianischen Kongresses für Musikwissenschaft in Rio de Janeiro in einer speziell dazu einberaumten Sitzung in Anwesenheit diplomatischer Vertreter Österreichs die Person und das Werk Braunwiesers gewürdigt und der Akademie die Bezeichnung Brasil-Europa auf Vorschlag von Frau Prof. Dr. Dulce Martins Lamas beigefügt. Es wurde daran erinnert, daß dieser Akt 100 Jahre nach der Bildung des Orient-Zirkels auf Jalta erfolgte. Am 4. Juni 1992 wurde dieses Datums in einem Akt zum Andenken Braunwiesers am Mozarteum in Salzburg gedacht. Am 7. September des folgenden Jahres konnte dann in der Bragantina-Region das brasilianische Zentrum der Akademie Brasil-Europa mit einer Tagung eröffnet werden
Im Jahr 1997 - 75 Jahre nach der Bildung des Kreises von Salzburg - wurde das Studienzentrum in Köln unter Anwesenheit diplomatischer Vertreter Brasiliens eröffnet, dessen Vortragsraum den Namen M. Braunwiesers trägt. Bei dem Internationalen Kongreß "Musik und Visionen" zur Eröffnung des Trienniums wissenschaftlicher Tagungen anläßlich der Kommemorationen der Entdeckung Brasiliens vor 500 Jahren in Köln unter der Schirmherrschaft der Brasilianischen Botschaft wurden Werke Braunwiesers in Erstaufführungen zu Gehör gebracht. Der Kongreßbericht wurde ihm gewidmet. Beim Abschlußkongreß des Trienniums im Jahr 2002 wurde eine Sitzung der Akademie Brasil-Europa zu seinem Andenken in Bragança Paulista durch die dortige Stiftung für Hochschulstudien veranstaltet. Beim Internationalen Kolloquium Interkultureller Studien zum Anlaß der 450-Jahr-Feier von São Paulo wurden die Wirkung Braunwiesers und die lange Geschichte der nun "Akademie Brasil-Europa für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft" genannten Institution mit einem Konzert und einem Festvortrag im Auditorium des Centro Cultural São Paulo gewürdigt.
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